Unsere Expertin für Tiere an der Schule
TERRA MATER Reihe: Interview
Tiere an der Schule? In Eschweiler ganz normal! Die Willi-Fährmann-Schule (WFS) liegt direkt im Stadtzentrum Eschweilers (Nordrhein-Westfalen), von Grünflächen und Wohnhäusern idyllisch eingesäumt. Seit 2003 gibt es hier ein außergewöhnliches Projekt, das aus dem Alltag der Schülerinnen und Schüler nicht mehr wegzudenken ist: die Tiergestützte Pädagogik.
TM: Frau Emonds-Seeger, Sie sind Sozialarbeiterin und haben die Idee – Tiere an der Schule – damals an die WFS gebracht. Erinnern Sie sich noch an den Start dieses Projektes?
Carolin Emonds-Seeger (CES): Es war damals gar nicht so einfach, dieses Projekt zum Laufen zu bringen. Tiere an der Schule, das war in Deutschland noch weitestgehend unbekannt und daher waren viele Leute skeptisch. Doch wir haben nicht locker gelassen und wurden in Deutschland die erste Schule, die mit einer großen Anzahl von Tieren die Tiergestützte Pädagogik ins Schulprogramm aufnahm.
TM: Das Projekt hat sich äußerst erfolgreich entwickelt. Welche Tiere "wohnen" momentan auf dem Gelände der WFS?
CES: Wir sind eine richtig "kunterbunte Familie" geworden. Derzeit wohnen die beiden Schafe "Elvis" und "Pablo", die beiden Ziegen "Fräulein Rottenmeier" und "Heidi" sowie die beiden Hängebauchschweine "Big Mama" und "Big Daddy" bei uns. Außerdem haben wir noch 10 Indische Laufenten, einen Hahn, sieben Hennen und acht Kaninchen auf dem Gelände.
TM: Die Tiere sind ein wichtiger Bestandteil des Schulalltags. Wie kann man sich das konkret vorstellen?
CES: Wir haben z. B. das Pausenangebot, das täglich für die Schülerinnen und Schüler offensteht. Vormittags zwischen 09:30h und 10:15h schneiden die Kinder frisches Obst und Gemüse für die Tiere, mischen Kraftfutter und misten die Ställe aus. In all den Jahren sind tatsächlich immer Schülerinnen und Schüler zum Pausenangebot erschienen – alle möchten, dass es den Tieren gut geht. Außerdem gibt es wöchentliche Gruppenangebote, in denen sich die Jugendlichen z. B. um kleinere Reparaturmaßnahmen kümmern. Als das Dach des Kaninchenstalls eines Tages plötzlich undicht war, griffen die Teenager mit Eifer zum Akkubohrer und reparierten es.
TM: Die Kinder lernen also mit Selbstbewusstsein und Eigeninitiative an die Aufgaben heranzugehen?
CES: Ja, unsere Schülerinnen und Schüler bringen sich gerne in die praktischen Arbeiten ein. Aber natürlich haben wir als Lehrerinnen und Lehrer immer ein wachsames Auge auf die Arbeiten. Und für das Pausenangebot haben wir Übersichtstafeln mit Bildern und Texten aufgehängt, auf denen die Kinder sehen können, worauf sie achten müssen. So behalten alle den nötigen Überblick.
TM: Was passiert denn in den Schulferien mit den Tieren?
CES: Wir haben das große Glück, eine junge Bürgerarbeiterin bei uns an der Schule zu haben. Sie ist die Zuverlässigkeit in Person, kümmert sich täglich um die Tiere und gewährleistet auch in den Ferien, dass es ihnen an nichts mangelt. Und falls doch einmal Not am Mann ist, dann springen meine Kolleginnen, Kollegen oder ich ein.
TM: An der Förderschule haben Sie täglich mit Kindern zu tun, denen das Lernen schwerfällt und die es im Leben nicht leicht haben. Was verändert die Tiergestützte Pädagogik für diese Kinder?
CES: Viele unserer Schülerinnen und Schüler kennen das Gefühl nur zu gut, im Umgang mit anderen das "schwächste Glied" zu sein. Doch Tiere achten nicht darauf, ob jemand vielleicht "merkwürdig" aussieht oder schüchtern ist. Unsere Schülerinnen und Schüler lernen im Alltag mit den Tieren die Wertschätzung und Dankbarkeit kennen, die ihnen sonst verwehrt bleibt. Andererseits üben sie sich darin auf die Bedürfnisse der Tiere einzugehen und z. B. Rücksicht zu nehmen, wenn ein Tier ängstlich ist. Über die gemeinsamen Aufgaben lernen die Kinder außerdem aufeinander zuzugehen und Vertrauen aufzubauen.
TM: Viele der Tiere, die an der WFS leben, hatten früher kein gutes Leben. Welche Bedeutung hat dies für die Kinder?
CES: Die Kinder wissen, dass einige unserer Tiere aus schlechter Haltung kommen und sie es bei uns nun gut haben. Aufgrund ihrer eigenen Schicksale sind die Schülerinnen und Schüler oft berührt und fühlen sich mit den Tieren stark verbunden. Sie haben dann das Bedürfnis, sich ganz besonders für die Tiere einzusetzen.
TM: Was begeistert Sie an dem Projekt persönlich am meisten?
CES: Die Tiere bringen enorm viel Lebendigkeit in die Schule und die gemeinsame Arbeit lässt die jungen Menschen zusammenwachsen, auch mit uns Lehrkräften. Es gibt so viele Möglichkeiten, neue Ideen zu entwickeln und Neues auszuprobieren. Unsere Tiere gehören einfach zum Schulalltag dazu. Und die Kinder sind unglaublich engagiert – da müssen wir sie manchmal sogar schon in ihrem Eifer bremsen.
TM: Wir drücken Ihnen die Daumen, dass es mit der Tiergestützten Pädagogik noch lange so weitergeht! Vielen Dank für das Gespräch!